Der heilige Martinus - ein bekannter und beliebter Heiliger, der sich bis heute volkstümlicher Verehrung erfreut, dargestellt als Reiter, der seinen Soldatenmantel mit einem Bettler teilt. Er ist eine der großen Gestalten der Kirchen- und Heiligengeschichte. 316/317 in einer römischen Kolonie im heutigen Ungarn geboren. Der Vater Militärtribun im römischen Heer. Er wuchs in einer noch weitgehend heidnischen Umgebung auf. Kindheit und Jugend verlebte er in einer Zeit großer geschichtlicher Umwälzungen. Mit zwölf Jahren erhielt er gegen den Willen seiner Eltern Unterweisung im christlichen Glauben. Sechs Jahre später - also mit 18 Jahren - empfing er die Taufe. Mit 15 Jahren trat er - gemäß der Bestimmung als Veteranen-Sohn - in das kaiserliche Heer ein und wurde Offizier in der Gardereiterei. Ein außergewöhnlicher Charakterzug an dem jungen Soldaten war schon zu damaliger Zeit seine selbstvergessene Nächstenliebe, die ihm ganz besonders das Herz des gläubigen Volkes geöffnet hat, und die der historische Hintergrund für das Martins-Brauchtum im ehemaligen fränkischen Reichsgebiet ist.
Sobald es ihm möglich wurde, verließ er das Heer und versuchte, als Einsiedler durch das Leben des Gebetes und der Entsagung Gott zu dienen. Aber seine Zelle in der Nähe von Poitiers wurde durch den Zuzug von vielen Schülern, die sich seinem Leben anschließen wollten, zu einem berühmten Kloster, das auf die religiöse Entwicklung des heutigen Frankreichs und der Rheinlande großen Einfluß ausübte. Als im Jahre 371 der Bischofstuhl von Tours besetzt werden mußte, wählten Volk und Klerus Martinus zum Bischof. Das Volk liebte ihn als seinen Vater, der immer nur Frieden stiften und helfen wollte. Wenn nötig, konnte er mit fester Hand durchgreifen, um die Reinheit der christlichen Lehre zu wahren und um Angriffe auf seine Herde abzuwehren. Als demütiger Bischof duldete er „ohne Widerrede und Strafe", daß er von untergeordneten Klerikern offen beleidigt und geschmäht wurde. Seine klare und kritische Haltung gegenüber der weltlichen Macht, sein Eintreten für zu Unrecht Verurteilte, seine persönliche Untadeligkeit und Anspruchslosigkeit trugen ihm den Respekt aller Zeitgenossen ein.
Das Volk hat „Martinus, den Großen Mann", nicht vergessen. Als einer der ersten Nicht-Märtyrer wurde er von der Kirche bald nach seinem Tod am 8. November 397 als Heiliger verehrt, als „tapferer Reitersmann, als barmherziger Samariter, als guter Hirt" lebt sein Andenken im chistlichen Volk weiter. Er wurde der Nationalheilige der ehemals fränkischen Reichsgebiete, unzählige Kirchen, Klöster, Städte und Burgen wurden nach ihm benannt, auch unsere Pfarre und unsere Schützenbruderschaft.
Ein Patron soll mehr sein als eine notwendige Firmenbezeichnung, nämlich Beschützer und Vorbild. Martinus ein zeitgemäßer Heiliger? In der Unsicherheit und in den Gefährdungen seiner Zeit hatte er erkannt, wo die Gewichte des christlichen Lebens liegen: in der Treue zum Glauben, in einem Leben aus der Wahrheit dieses Glaubens und in der tätigen Nächstenliebe.
Ein von ihm überliefertes Wort - runde 1600 Jahre alt! - könnte Leitgedanke sein für die Schützenbrüder von heute: "Ein Sklave ist, wer sich fürchtet, auch nur mit zwei oder drei auf der Seite der Wahrheit zu stehen."
(Quelle: Festschrift anläßlich des 350jährigen Bestehens)